Handschriftanalyse von elektronischen Kopien: Chancen, Herausforderungen und Best Practices

Software für Ausschluss von handschriftlichen Manipulationen

Immer häufiger werden forensische Handschriftenuntersuchung von Scans angefragt, weil keine Originaldokumente vorliegen. Wie geht man in solchen Fällen vor? 

Fotokopien aus Sicht der traditionellen Schriftvergleichung

Die Untersuchung von Handschriften stützt sich traditionell auf Originaldokumente, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Analysen zu gewährleisten. In der Vergangenheit zögerten forensische Handschriftenexperten, Kopien von Dokumenten zu analysieren. Insbesondere vermieden wurden solche, die mit alten Fotokopierern und Faxgeräten hergestellt wurden. Die Qualität dieser Kopien war oft zu schlecht, so dass feine Details der Handschrift – Druck, Tintenfluss und feine Linienabweichungen – praktisch unsichtbar wurden. Diese Merkmale sind jedoch für eine detaillierte und genaue Prüfung unerlässlich. Daher betrachteten Schriftvergleicher Kopien als unzuverlässig und ungeeignet für eine korrekte Handschriftenanalyse, da sie wichtige Details verdecken oder Verzerrungen verursachen konnten. Ältere Fotokopierverfahren erzeugten beispielsweise schiefe oder gestreckte Bilder, die den Prüfer in die Irre führen konnten.

Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass bestimmte physische Merkmale des Originaldokuments nicht analysiert werden konnten. Elemente wie die Art des Schreibgeräts, die Beschaffenheit des Papiers und Einkerbungen, die für die Feststellung der Echtheit eines Dokuments wichtig sind, fehlen in den Standardreproduktionen. Aus diesem Grund wurden Originaldokumente als Goldstandard für forensische Untersuchungen bevorzugt. Dieses Problem besteht natürlich auch heute noch, obwohl sich die Qualität von Scans und Fotos deutlich verbessert hat.

Hochauflösende Scans und Digitalfotografie in der Schriftvergleichung

Mit der Entwicklung von hochauflösenden Scannern und digitaler Fotografie hat sich die Landschaft der Handschriftenanalyse erheblich verändert. Moderne Technologien ermöglichen jetzt die Erstellung digitaler Kopien mit einer unglaublichen Detailgenauigkeit. Es werden Nuancen der Handschrift erfasst, die früher in minderwertigen Reproduktionen verloren gingen. Scans mit einer Auflösung von 300 bis 600 Punkten pro Zoll (DPI) oder höher können Form, Neigung und Abstände der Buchstaben sowie die Gesamtstruktur der Handschrift, die für die Analyse von entscheidender Bedeutung sind, originalgetreu wiedergeben.

Diese Fortschritte haben zu einer wachsenden Akzeptanz elektronischer Kopien bei der Handschriftenprüfung geführt. Experten erkennen inzwischen an, dass qualitativ hochwertige digitale Kopien Ergebnisse liefern können, die mit Originaldokumenten vergleichbar sind, insbesondere wenn der Schwerpunkt auf den visuellen Aspekten der Handschrift und nicht auf den physischen Eigenschaften des Dokuments liegt. So lassen sich beispielsweise Schreibgewohnheiten, Buchstabenformen und Abstandsmuster mit Hilfe einer hochauflösenden gescannten Kopie oft genau beurteilen.

Was ist zu beachten bei Schriftanalysen mit hochaufgelösten Scans

Bei der Auswertung von Kopien sind einige Punkte zu beachten, um besonders auf die Schriftmerkmale zu achten, die in der Kopie noch verfälscht sein können und daher die Zuverlässigkeit der Auswertung beeinträchtigen. 

Gute Qualität von Scans

Erstens sollten die Kopien von sehr guter Qualität sein. Technisch gesehen sollte es sich um Scans mit einer Auflösung von mindestens 300 dpi handeln, besser noch 600/1200. Beim Scannen wird das Blatt gleichmäßig an die Oberfläche des Scanglases gepresst und externe Lichtquellen haben keinen Einfluss. Beim Fotografieren oder sogar bei der Verwendung eines Fotoscanners können Verzerrungen auftreten. Die resultierende Datei muss in einem entsprechenden Grafikformate vorliegen. Die Formate unterscheiden sich hauptsächlich durch die Art der Grafik (Raster- oder Vektorgrafik) und durch den Datenkomprimierungsalgorithmus. Bei Vektorgrafiken handelt es sich um eine mathematische Beschreibung der abgebildeten Objekte, was für die Handschrift zu kompliziert ist. Sinnvoller sind daher Rastergrafiken, die auf der Pixeldarstellung des Bildes beruhen. Es liegt auf der Hand, dass ihre Qualität von den dpi abhängt.

Was die Kompressionsalgorithmen betrifft, so werden die gängigen Formate in zwei große Familien unterteilt. Zur ersten gehören die Formate, die verlustfreie Kompressionsalgorithmen verwenden. Dies sind Formate wie TIFF, BMP oder PNG. Sie garantieren eine perfekte Kopierqualität, aber die Dateien selbst sind sehr groß. Die zweite Gruppe sind verlustbehaftete Komprimierungsalgorithmen. Der bekannteste Vertreter ist das JPEG. Obwohl „verlustbehaftete Komprimierung“ für den Fachmann nicht gut klingt, kann die Qualität durch entsprechende Einstellungen auf ein sehr hohes Niveau gebracht werden. Der Unterschied zu unkomprimierten Formaten ist für das menschliche Auge praktisch nicht wahrnehmbar. Das beliebte und praktische PDF ist eigentlich ein Container, in den sowohl komprimierte als auch unkomprimierte Bilder eingebettet werden können. Die Qualität hängt davon ab, wie sie beim Scannen eingestellt wurde. Wenn das PDF hochwertige Bilder verwendet (z. B. eingebettete TIFF- oder hochwertige JPEG-Dateien), kann die Qualität genauso gut sein wie die der einzelnen Bilddateien. Obwohl Experten sich oft weigern, mit einem PDF zu arbeiten, ist dies heute durchaus akzeptabel, da moderne Anwendungen die gewünschte Qualität liefern. Es ist nur wichtig, die Datei vor der Bearbeitung zu überprüfen: Das Bild darf beim Vergrößern nicht verzerrt werden.  Außer der Auflösung ist noch wichtig, dass ein Dokument im Farbmodus gescannt wird. 

Größe der Handschrift durch Hilfselemente bestimmen

Zweitens kann es schwierig sein, die Größe der Handschrift zu bestimmen, wenn mit einer Kopie gearbeitet wird, da nicht bekannt ist, in welchem Maßstab die Kopie angefertigt wurde. In diesem Fall können Hilfselemente hilfreich sein. Zum Beispiel die Linierung oder die genaue Blattgröße, falls bekannt.

Der kritischste Punkt: Die Bestimmung des Drucks und Druckverlaufs

Drittens, die Beurteilung des Drucks und seines Verlaufs: Auf dem Original wird der Druck durch die Intensität des Farbstoffs, den das jeweilige Schreibgerät verwendet, und durch das vom Schreibgerät auf der Rückseite des Blatts hinterlassene Relief bestimmt. Letzteres fehlt natürlich auf der Kopie. Die Strichbreite und die Farbintensität bleiben erhalten. Wenn das Original jedoch nicht mit einem schwarzen, sondern mit einem farbigen Stift geschrieben wurde und die Kopie schwarz-weiß ist, kann die Intensität der Pixel reduziert sein.

Zusammenfassung über Handschriftanalyse von elektronischen Kopien

Früher wurde angenommen, dass es Probleme bei der Beurteilung der Qualität und Spannung der Striche, ihrer Reihenfolge und Richtung geben könnte. Hochwertige Kopien und Grafikprogramme, die eine „unbegrenzte“ Vergrößerung des Bildes ermöglichen, erlauben es jedoch, auch diese Merkmale genau wie beim Original zu bestimmen. Problematisch bleibt trotz technischer Verbesserungen das Thema „Druck und Druckverlauf in der Kopie“.

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Kopien leichter zu fälschen sind. Es gibt jedoch Computerprogramme, die es ermöglichen, die Spuren bestimmter Manipulationen an der Kopie zu erkennen. Von der Universität Basel wurde aus diesem Grund die Software HIERAX entwickelt, um die Lesbarkeit von Papier zu verbessern. Ein Beispiel für die Anwendung von Hierax, das zeigt, dass im vorliegenden Dokument keine Manipulationen vorgenommen wurden:

Literatur

  • Allen, M. (2016). Foundations of Forensic Document Analysis. Theory and Practice. Wiley-Blackwell.
  • ENFSI. (1922). Best Practice Manual for the Forensic Handwriting Examination.
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  • Seibt, A. (2004). Probleme bei der Untersuchung von Fotokopien. Zeitschrift für Schriftpsychologie und Schriftvergleichung, 68, 164–174.
  • Seibt, A. (2008). Unterschriften und Testamente. Praxis der forensischen Schriftuntersuchung. Verlag C.H. Beck.